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ES Culham: DS6 2007/2008  
 
 

Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen

Johann Jacob Christoph von GrimmelshausenGrimmelshausen gilt als der phantasiereichste Fabulierer der altdeutschen Zeit und war der Verfasser des 1668 erschienenen Romans „Siplicius Simplicissimus". Sein bis zum heutigen Tag populäres Werk wurde für ein gehobenes Publikum seiner Zeit geschrieben und schildert in teilweise poetischer Überhöhung die Abenteuer und Lebensumstände eines von kroatischen Reitern in die Wirren und Schrecken des "Teutschen Krieges" entführten naiven Kindes. Dieser Roma n kann zu den größten deutschen Romanen des 17. und der folgenden Jahrhunderte gezählt werden. Er war in seiner Zeit ein Bestseller, obwohl es eigentlich ein Alptraum ist. Seine Werke waren vergessen, ehe sie in der Zeit der Romantik wieder entdeckt wurden. Da Grimmelshausen unter wechselndem Pseudonym geschrieben hatte, wurde sein Name erst 1837 in die Literaturgeschichte aufgenommen. Gemeinsam mit den Werken "Courasche", "Springinsfeld", "Das wundersame Vogelnest" und "Des abenteuerlichen Simplicissimus Ewigwährender Kalender" stellte Grimmelshausen einen neuen Standard in der deutschen Romanliteratur auf.

Wichtigste Lebensdaten Grimmelshausens

Nicht gesicherte Daten

  • 1621 Vermutlich am 17. März 1621 in Gelnhausen/Spessart geboren (nach Prof. Dr. Weydt)
  • Vater und Großvater Bäcker in Gelnhausen
  • Vater früh verstorben
  • 1627 Wiederverheiratung der Mutter mit einem Buchhändlers- und Magistrats-Sohn in Frankfurt
  • Grimmelshausen verbleibt bei den Großeltern in Gelnhausen
  • 1634 Flucht von Gelnhausen nach Hanau
  • 1639 Musketier in Offenburg

Gesicherte Daten

  • 1645 Schreiber in der Regimentskanzlei des Obristen von Schauenburg in Offenburg
  • 1648 Kanzleisekretär im Regiment Obrist Eltner in Bayern bei Wasserburg/Inn (Eltner ist ein Schwager Schauenburgs)
  • 1649 Heirat in Offenburg mit Catharina Henninger (August)
  • 1649 - 60 Schaffner in Gaisbach
  • 1653 Erwerb der Spitalbühnd in Gaisbach, errichtet darauf 2 Häuser, den "Silbernen Stern" und das ehemalige Rathaus
  • 1662 - 65 Schaffner auf der Ullenburg, Lehensbesitz des Straßburger Arztes Dr. Johannes Küffer
  • 1665 Wirt in Gaisbach (Gasthaus "Silberner Stern")
  • 1667 Schultheiß in Renchen
  • 17.8.1676 in Renchen verstorben
  • Fünf seiner neun bis zehn Kinder sind im Taufbuch von Oberkirch eingetragen,
  • zwei seiner neun bis zehn Kinder stehen im Taufbuch von Ulm, da auf der Ullenburg getauft, das zum Kirchspiel Ulm gehörte,
  • eins seiner neun bis zehn Kinder steht im Taufbuch von Rebchen,
  • eins seiner neun bis zehn Kinder müsste noch im Oberkircher Taufbuch stehen,
  • konnte bis jetzt aber noch nicht ermittelt werden.

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Simplicissimus

Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch / Das ist: Die Beschreibung deß Lebens eines seltzamen Vaganten / genant Melchior Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen / was er darinn gesehen / gelernet / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittirt. Überauß lustig / und männiglich nutzlich zu lesen. (1668)

Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges wächst der Ich-Erzähler fast wie ein wildes Tier auf einem Bauernhof auf, den er für die ganze Welt hält: er kennt nicht einmal den eigenen Namen oder den der Eltern, die er im Dialekt des Spessart »Knan« und »Meuder« nennt.

Mit zehn Jahren erlebt er den Überfall auf das Dorf durch Soldaten und verfolgt verständnislos und naiv die Grausamkeiten. Mit Glück rettet er sich in den Wald, wo ihn ein Eremit aufnimmt und christlich erzieht; dieser gibt ihm auch den Namen Simplicius, der 'Einfältige'. Als der Einsiedler nach zwei Jahren stirbt, beginnt für Simplicius das unstete Leben. Zuerst ist er Page des schwedischen Kommandanten in Hanau, wird wegen seiner Naivität zum Narr erklärt und muss ein Fell tragen.

Kroatische Reiter zwingen ihn zum Mitziehen, bald aber kann er zu den kaiserlichen Truppen in Magdeburg gelangen und wird, weiterhin als Narr, dem dortigen Hofmeister zugewiesen; dessen Sohn, Ulrich Herzbruder, wird Simplicius' bester Freund und treuer Begleiter. Magdeburg steht vor der großen Zerstörung, Simplicius kann mit Ulrichs Hilfe fliehen und rettet sich als Diener eines Dragoners in ein Kloster, wo er die Bibliothek nutzt und fechten lernt. Nun avanciert er selber zum Dragoner, kommt als »Jäger von Soest« zu Ruhm und Geld, wird aber schließlich von den Schweden gefangen genommen, in Lippstadt eingesperrt und muss heiraten, um frei zu kommen. Inzwischen sind seine angesammelten Reichtümer durch einen Bankrotteur verloren: Simplicius begibt sich nach Paris, erlebt dort als Lautenist und Schauspieler erotische Abenteuer.

Auf dem Weg zurück wird er von den Pocken befallen und versucht sich selber als Wunderheiler, kommt aber gezwungenermaßen zum Soldatendienst in Philippsburg. Ulrich Herzbruder kann ihm erneut heraushelfen; zusammen machen sie sich als Pilger nach Maria Einsiedlen in der Schweiz auf. Die Wallfahrt wird jedoch nach Wien abgelenkt, wo Simplicius vorübergehend Hauptmann ist, Herzbruder aber schwer erkrankt. Auch die Reise in den Schwarzwald hilft nicht mehr: Ulrich stirbt, und Simplicius steht wieder allein da.

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

(Textausschnitt)

Es eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt, dass es die letzte sei) unter geringen Leuten eine Sucht, in der die Patienten, wenn sie daran krank liegen, und so viel zusammen geraspelt und erschachert haben, dass sie neben ein paar Hellern im Beutelein närrisches Kleid auf die neue Mode mit tausenderlei seidenen Bändern antragen können, oder sonst etwa durch Glücksfall mannhaft und bekannt worden, gleich rittermäßige Herren und adelige Personen von uraltem Geschlecht sein wollen; da sich doch oft befindet, dass ihre Voreltern Taglöhner, Karchelzieher und Lastträger; ihre Vettern Eseltreiber; ihre Brüder Büttel und Schergen; ihre Schwestern Huren; ihre Mütter Kupplerinnen oder gar Hexen; und in Summa ihr ganzes Geschlecht von allen 32 Anichen her also besudelt und befleckt gewesen, als des Zuckerbastels Zunft zu Prag immer sein mögen; ja sie, diese neuen Nobilisten, sind oft selbst so schwarz, als wenn sie in Guinea geboren und erzogen wären worden.

Solchen närrischen Leuten nun mag ich mich nicht gleich stellen, obzwar, die Wahrheit zu bekennen, nicht ohne ist, dass ich mir oft eingebildet, ich müsse ohnfehlbar auch von einem großen Herrn, oder wenigst einem gemeinen Edelmann, meinen Ursprung haben, weil ich von Natur geneigt, das Junkernhandwerk zu treiben, wenn ich nur den Verlag und das Werkzeug dazu hätte. Zwar ohngescherzt, mein Herkommen und Auferziehung läßt sich noch wohl mit eines Fürsten vergleichen, wenn man nur den großen Unterscheid nicht ansehen wollte. Was?

Mein Knan (denn also nennet man die Väter im Spessart) hatte einen eignen Palast, so wohl als ein anderer, ja so artlich, dergleichen ein jeder König mit eigenen Händen zu bauen nicht vermag, sondern solches in Ewigkeit wohl unterwegen lassen wird; er war mit Leimen gemalet und anstatt des unfruchtbaren Schiefers, kalten Bleis und roten Kupfers mit Stroh bedeckt, darauf das edel Getreid wächst; und damit er, mein Knan, mit seinem Adel und Reichtum recht prangen möchte, ließ er die Mauer um sein Schloß nicht mit Mauersteinen, die man am Weg findet oder an unfruchtbaren Orten aus der Erden gräbt, viel weniger mit liederlichen gebackenen Steinen, die in geringer Zeit verfertigt und gebrannt werden können, wie andere große Herren zu tun pflegen, aufführen; sondern er nahm Eichenholz dazu, welcher nützliche edle Baum, als worauf Bratwürste und fette Schinken wachsen, bis zu seinem vollständigen Alter über hundert Jahr erfordert: Wo ist ein Monarch, der ihm dergleichen nachtut? Seine Zimmer, Säl' und Gemächer hatte er inwendig vom Rauch ganz erschwarzen lassen, nur darum, dieweil dies die beständigste Farb von der Welt ist, und dergleichen Gemäld bis zu seiner Perfektion mehr Zeit brauchet, als ein künstlicher Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erfordert. Die Tapezereien waren das zarteste Geweb auf dem ganzen Erdboden, denn diejenige machte uns solche, die sich vor alters vermaß, mit der Minerva selbst um die Wett zu spinnen. Seine Fenster waren keiner anderen Ursache halber dem Sant Nitglas gewidmet, als darum, dieweil er wußte, dass ein solches vom Hanf oder Flachssamen an zu rechnen, bis es zu seiner vollkommenen Verfertigung gelangt, weit mehrereZeit und Arbeit kostet als das beste und durchsichtigste Glas von Muran, denn sein Stand macht' ihm ein Belieben zu glauben, dass alles dasjenige, was durch viel Mühe zuwege gebrachtwürde, auch schätzbar und desto köstlicher sei, was aber köstlich sei, das sei auch dem Adelam anständigsten. Anstatt der Pagen, Lakaien und Stallknecht hatte er Schaf, Böcke und Säu,jedes fein ordentlich in seine natürliche Liberei gekleidet, welche mir auch oft auf der Weid aufgewartet, bis ich sie heim getrieben. Die Rüst- oder Harnischkammer war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schaufeln, Mist- und Heugabeln genugsam versehen, mit welchen Waffen er sich täglich übet'; denn Hacken und Reuten war seine disciplina militaris wie bei den alten Römern zu Friedenszeiten, Ochsen anspannen war sein hauptmannschaftliches Kommando, Mist ausfahren sein Fortifikationwesen und Ackern sein Feldzug, Stallausmisten aber seine adelige Kurzweil und Turnierspiel; hiermit bestritt er die ganze Weltkugel, soweit er reichen konnte, und jagte ihr damit alle Ernt ein reiche Beut ab. Dieses alles setze ich hintan und überhebe mich dessen ganz nicht, damit niemand Ursach habe, mich mit andern meinesgleichen neuen Nobilisten auszulachen, denn ich schätze mich nicht besser, als mein Knan war, welcher diese seine Wohnung an einem sehr lustigen Ort, nämlich im Spessart liegen hatte, allwo die Wölf einander gute Nacht geben. Daß ich aber nichts Ausführliches von meines Knans Geschlecht, Stamm und Namen für diesmal doziert, geschiehet um geliebter Kürze willen, vornehmlich, weil es ohne dasallhier um keine adelige Stiftung zu tun ist, da ich soll auf schwören; genug ists, wenn man weiß, dass ich im Spessart geboren bin.[...]

Der Phoenix aus der Asche
Ich wurde durchs Fewer wie Phoenix geborn.
Ich flog durch die Lüffte! Wurd doch nit verlorn,
Ich wandert durchs Wasser, Ich raißt über Landt,
in solchem Umbschwermen macht ich mir bekandt,
was mich offt betrüebet und selten ergetzt,was war das?
Ich habs in diß Buche gesetzt, damit sich der Leser gleich
wie ich itzt thue, entferne der Thorheit und lebe in Rhue

Simplicissimus