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ES Culham: DS6 2007/2008  
 
 

Gryphius

Mittag

Auf Freunde! Laßt uns zu der Tafel eilen,
Indem die Sonn ins Himmels Mittel hält
Und der von Hitz und Arbeit matten Welt
Sucht ihren Weg und unsern Tag zu teilen!

Der Blumen Zier wird von den Flammenpfeilen
Zu hart versehrt, das ausgedörrte Feld
Wünscht nach dem Tau, der Schnitter nach dem Zelt;
Kein Vogel klagt von seinen Liebesseilen.

Itzt herrscht das Licht; der schwarze Schatten fleucht
In eine Höhl, in welche sich verkreucht,
Den Schand und Furcht sich zu verbergen zwinget.

Man kann dem Glanz des Tages ja entgehn,
Doch nicht dem Licht, das, wo wir immer stehn,
Uns sieht und richt und Höll und Gruft durchdringet.

An die Sternen

Ihr Lichter, die ich nicht auf Erden satt kann schauen,
Ihr Fackeln, die ihr Nacht und schwarze Wolken trennt,
Als Diamante spielt und ohn Aufhören brennt,
Ihr Blumen, die ihr schmückt des großen Himmels Auen,

Ihr Wächter, die als Gott die Welt auf- wollte bauen,
Sein Wort, die Weisheit selbst, mit rechten Namen nennt,
Die Gott allein recht mißt, die Gott allein recht kennt,
(Wir blinden Sterblichen, was wollen wir uns trauen!)

Ihr Bürgen meiner Lust, wie manche schöne Nacht
Hab ich, indem ich euch betrachtete, gewacht?
Herolden dieser Zeit, wenn wird es doch geschehen,

Daß ich, der eurer nicht allhier vergessen kann,
Euch, derer Liebe mir steckt Herz und Geister an,
Von andern Sorgen frei werd' unter mir besehen?

Andenken eines auf der See ausgestandenen gefährlichen Sturms

O Gott! was rauhe Not! Wie schaumt die schwarze See
Uns sprützt ihr grünes Salz! Wie reißt der Zorn die Wellen
Durch nebelvolle Luft! Wie heult das wüste Bellen
Der tollen Stürm uns an! Die Klippe kracht von Weh.

Wir fliegen durch die Nacht und stürzen von der Höh
In den getrennten Grund. Die often Stöße fällen
Den halbzuknickten Mast; die schwache Seiten prellen
Auf die gespitzte Klipp. O Himmel, ich vergeh!

Der dicke Querbaum bricht und schlägt den Umgang ein;
Das Segel flattert fort; der Schiffer steht allein
Und kann noch Bootsmann mehr, noch Seil, noch Ruder zwingen.

Wir missen Glas, Kompaß und Tag und Stern und Nacht;
Tot war ich vor dem Tod. Doch Herr! du hasts gemacht,
Daß ich dir lebend und errettet Lob kann singen.

Die Hölle

Ach! und weh!
Mord! Zetter! Jammer! Angst! Creutz! Marter! Würme! Plagen.
Pech! Folter! Hencker! Flamm! Stanck! Geister! Kälte! Zagen!
Ach vergeh!

Tieff' und Höh'!
Meer! Hügel! Berge! Felß! wer kan die Pein ertragen?
Schluck abgrund! ach schluck' eyn! die nichts denn ewig klagen.
Je und Eh!

Schreckliche Geister der tunckelen hölen / Ihr die ihr martert und Marter erduldet
Kan denn der ewigen Ewigkeit Feuer / nimmermehr büssen dis was ihr verschuldet?
O grausamm' Angst / stets sterben sonder sterben

Diß ist die Flamme der grimmigen Rache / die der erhitzte Zorn angeblasen:
Hier ist der Fluch der unendlichen Strasse; hier ist das immerdar wachsende rasen:
O Mensch! Verdirb / umb hier nicht zuverderben.